Author Archive Silke Voss-Kyeck

Jiyan – die vergessenen Opfer des IS

In einem Fachgespräch im Bundestag ging es am 19. Dezember um Jesidinnen aus dem Nordirak, die vom IS gefangen gehalten, versklavt und vergewaltigt wurden, und ihre heute zumeist aussichtslose humanitäre und rechtliche Situation. Annalena Baerbock, Volker Kauder und Thomas Oppermann werben über Parteigrenzen hinweg für bundesweites Aufnahmeprogramm und wollen sich dabei auch von Innenminister Seehofer nicht abschrecken lassen.

Die Journalistin Düzen Tekkal präsentierte Ausschnitte ihres Dokumentarfilms „Jiyan – die vergessenen Opfer des IS“ und schilderte ihre Begegnungen mit schwer traumatisierten Mädchen und Frauen, die mit ihren durch Vergewaltigungen gezeugten Kinder heute aus der jesidischen Gemeinschaft ausgeschlossen und vom Staat rechtlich benachteiligt werden, die also entweder das eigene Kind verlassen müssen oder ausgeschlossen und mittellos bleiben, und im Irak keinerlei Perspektive haben. Die Erfahrungen der letzten fünf Jahre mit der Aufnahme von besonders schutzbedürftigen jesidischen Opfern des IS in Baden-Württemberg sollte alle Kritiker*innen überzeugen, wie wichtig solch ein Sonderkontingent auf Bundesebene wäre.

Gewalt gegen Frauen wird jeden Tag verübt

Darauf wird am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen besonders aufmerksam gemacht. Im Irak werden Frauen zunehmend Opfer von gewaltsamem Verschwindenlassen. Dies geschieht derzeit insbesondere im Zusammenhang mit den öffentlichen Protesten gegen Misswirtschaft, Korruption und hohe Arbeitslosigkeit.
Die Menschenrechtsaktivistin Saba Al Mahdawi (Foto), die die Demonstrierenden mit medizinischer Hilfe unterstützte, wurde am 2.11. von maskierten Unbekannten verschleppt und am 13.11. freigelassen. Verschiedene NGOs und auch unser UN Ausschuss gegen Verschwindenlassen hatten von den Behörden Aufklärung gefordert. Auch für Maimouna Al Mashhadani wurde der Ausschuss aktiv, die nach Teilnahme an einer Demonstration fast drei Wochen verschwunden war. In keinem der Fälle sind Verantwortliche bisher ermittelt oder gar zur Rechenschaft gezogen worden.

Auch zuvor schon wurden Frauen im Irak verschwunden. Selten jedoch wurden diese Fälle angezeigt, weil sie oft mit Scham verbunden sind und der Sorge, das Ansehen der Frau oder der Familie könne dann Schaden nehmen. Dass nun Fälle von weiblichen Verschwundenen auch an den UN Ausschuss gemeldet werden, ist ein wichtiges Zeichen, dass diese Verbrechen nicht länger ungesühnt bleiben sollen.

Rainer Huhle zieht Bilanz

Acht Jahre war Dr. Rainer Huhle Mitglied im Ausschuss gegen das Verschwindenlassen. Dank seines unermüdlichen Engagements und der Arbeit seiner Kolleg*innen konnte viel erreicht werden im Kampf gegen diese besondere Menschenrechtsverletzung. Dennoch gibt es noch großen Handlungsbedarf. In einem Artikel für die Zeitschrift Vereinte Nationen hat er nun ausführlich Bilanz gezogen. Der Beitrag ist für Mitglieder der DGVN auch online verfügbar – vielleicht eine gute Gelegenheit, jetzt dort Mitglied zu werden?

Premiere

Rückblickend auf meine „Premiere“ im Seminar „Menschenrechtspolitik der EU“ an der FAU stelle ich fest: Diskutieren mit Student*innen aus der ganzen Welt hält jung und macht Spaß!!! Nach der Beschäftigung mit EU-Institutionen und Entscheidungsprozessen geht es nun weiter mit den Möglichkeiten der EU Handelspolitik mehr Menschenrechtsschutz einzufordern. Geforscht wird an der Universität Erlangen natürlich auch, z.B. zur menschenrechtlichen Verantwortung in globalen Lieferketten.

Menschenrechte sind kein Luxus

Interview in der der DLF-Reihe „Zeitzeugen im Gespräch

Meine erste Sitzung des UN Ausschusses gegen Verschwindenlassen - Unterlagen

Meine erste Sitzung des UN Ausschusses gegen Verschwindenlassen

Geschafft, die erste Sitzung des UN Ausschusses gegen Verschwindenlassen liegt hinter mir. Die Tage waren arbeitsreich und für mich als „Neuling“ auch damit gefüllt, Regeln und Arbeitsprozesse kennenzulernen. Dabei war ich nicht die einzige – von zehn Ausschussmitgliedern sind fünf neu dabei, und alle miteinander bringen ganz unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen mit. Großer Dank gebührt den MItarbeiter*innen des Ausschusssekretariats, die uns mit sehr begrenzten Ressourcen kompetent unterstützen, und an die Dolmetscher, ohne die unsere Arbeit ebenfalls nicht möglich wäre.

Wir diskutierten intensiv über die Umsetzung der Konvention in Bolivien und der Slovakei mit den entsprechenden Regierungen, mussten die anstehenden Dialoge mit Nigeria, der Mongolei und der Schweiz vorbereiten und zurückliegende Staatenüberprüfungen nachhalten. Es gab Gespräche mit weiteren Staaten und mit Nichtregierungsorganisationen.

Wichtig war mir auch der – zukünftig regelmäßigere – Austausch mit dem UN Hochkommissariat für Flüchtlinge, denn das Verschwindenlassen im Kontext von Migration will ich besonders in den Blick nehmen. Menschen „on the move“ sind oft besonders verletzlich und können leicht Opfer von Verschwindenlassen werden. Wer sie sucht, muss das meist grenzübergreifend tun, was es nicht einfacher macht.

Michelle Bachelet und meine Kolleg*innen aus Argentinien, Japan, Marokko, Kolumbien, Serbien und Spanien

Hochkommissarin Michelle Bachelet im Ausschuss gegen das Verschwindenlassen

Gleich zu Beginn meiner ersten Sitzung des Ausschusses gegen das Verschwindenlassen trafen wir uns mit der UN Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet. Wir tauschten uns u.a. darüber aus, wie mehr Staaten von der Ratifizierung der Konvention gegen das Verschwindenlassen überzeugt werden können, und vereinbarten, hier eng mit den weltweiten nationalen und regionalen Büros der Hochkommissarin zusammenzuarbeiten. Dies gilt auch für das konsequentere Nachhalten der Empfehlungen unseres Ausschusses bei den Staaten, die der Konvention beigetreten sind. Für Michelle Bachelet ist der Kampf gegen das Verschwindenlassen auch ein sehr persönliches Anliegen – sie erlebte Folter und den Tod ihres Vaters unter der chilenischen Militärdiktatur und manche ihrer Freunde in Chile wissen bis heute nicht, was ihren in dieser Zeit verschwundenen Angehörigen widerfahren ist.

Auf dem Foto sind neben Bachelet und mir meine Kolleg*innen aus Argentinien, Japan, Marokko, Peru, Serbien und Spanien zu sehen.

Die Ausschussmitglieder aus Tunesien und Frankreich waren nicht dabei.

Die Statuen im Hof des UN Hochkommissariats für Menschenrechte symbolisieren die Verschwundenen. © R. Huhle

Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (CED)

Im Juni 2019 wurde ich in den UN Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (Committee on Enforced Disappearances/ CED) gewählt. In diesem Gremium sind 10 unabhängige Expert*innen dafür verantwortlich, die Umsetzung und Einhaltung des Internationalen Übereinkommens gegen das gewaltsame Verschwindenlassen zu überwachen. Zu unseren Hauptaufgaben gehört es, Berichte der inzwischen 62 Vertragsstaaten zu prüfen und Empfehlungen auszusprechen, über Individualbeschwerden zu urteilen und in Fällen von unmittelbar verschwundenen Personen, die an den Ausschuss herangetragen werden – sogenannten Eilaktionen -, den betreffenden Staat zu umgehenden Maßnahmen zur Suche aufzufordern. Aus seiner achtjährigen Erfahrung mit Betroffenen, staatlichen Stellen und zivilgesellschaftlichen Akteuren hat der Ausschuss Leitlinien erarbeitet mit ganz konkreten Empfehlungen, um die Suche nach Verschwundenen effizienter zu machen und die Rechte von Familienangehörigen zu stärken.

Rasha Jarhum

Rebellinnen gegen den Krieg Preis für Rasha Jarhum

Die Menschenrechtsaktivistin Rasha Jarhum ist mit dem „Rebellinnen gegen den Krieg – Anita Augspurg-Preis“ der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit sowie der Stadt Verden ausgezeichnet worden. Rasha Jarhum setzt sich unermüdlich für ein Ende des Krieges in ihrem Heimatland Jemen ein und ist davon überzeugt, dass der „Frieden im Jemen in der Hand der Frauen“ liegt.

„Genau wie Anita Augspurg rebelliert auch Rasha Jarhum gegen den Krieg in ihrem Land als Friedens- und Frauenrechtsaktivistin. Der Mut, den sie dafür aufbringt, ist beeindruckend, denn im Jemen ist die politische Partizipation von Frauen sehr niedrig. Die patriarchalischen Strukturen erwarten von Frauen, dass sie die stereotype Geschlechterrolle als Hausfrau erfüllen, der öffentliche Raum wird stark von Männern eingenommen.

Für Rasha, die in ihrem Leben bereits drei Kriege gesehen hat, wurde es zu gefährlich zu bleiben. Wie auch Anita Augspurg musste sie ins Exil fliehen, verlor Familienmitglieder und Eigentum, wurde verfolgt und bedroht.

Rashas Arbeit jedoch ist wichtiger denn je: Sie ist Mitbegründerin des FrauenSolidaritätsNetzwerkes (Women Solidarity Network), ein Zusammenschluss von 250 jemenitischen Frauen und frauengeführten Organisationen, die sich für den Schutz von Frauen und Friedensschaffung im Jemen einsetzen. Auch ist sie die Gründerin und Direktorin der Initiative Peace Track.

Die Initiative setzt sich für die Lokalisierung von Friedensprozessen und die Gewährleistung von Inklusivität ein. Dabei wird gefordert, dass diejenigen, die direkt vom Krieg betroffen sind, am stärksten an den Friedensverhandlungen beteiligt sind. Im Jemen werden Frauenorganisationen auf Kommunalebene und Frauengruppen bei friedensfördernden Aktivitäten unterstützt. Auch hilft die Peace Track Initiative jemenitischen Menschenrechtlerinnen sicher in andere Nachbarländer zu emigrieren.“ (aus der Laudatio)

In der sef:insight der Bonner Stiftung für Frieden und Entwicklung gibt es ein Interview und Videobeitrag mit Rasha Jarhum.

Eilaktionen des Ausschusses gegen das Verschwindenlassen

Der Ausschuss gegen das Verschwindenlassen ist der einzige Vertragsausschuss der Vereinten Nationen, der sogenannte Eilaktionen entgegennimmt. Familienangehörige oder Personen mit einem „berechtigten Interesse“ können den Ausschuss um Unterstützung bei der Suche nach einem verschwundenen Menschen bitten. Der Ausschuss fordert den Vertragsstaat zu umgehenden Suchmaßnahmen auf und fragt bei den Behörden so lange nach Art und Umfang der eingeleiteten Ermittlungen, bis die betroffene Person gefunden ist. Falls nötig wird der Staat auch aufgefordert, für Familienangehörige oder Zeugen Schutzmaßnamen zu erlassen.

Für den Ausschuss bedeutet dies eine erhebliche Arbeitsbelastung. Seit 2011 hat er rund 800 Eilaktionen bearbeitet, allein in diesem Jahr sind 200 dazugekommen. Weniger als 10 Prozent davon konnten abgeschlossen werden, weil die Person lebendig oder tot gefunden wurde. Den größten Anteil machen Eilaktionen aus Mexiko und dem Irak aus.