
United Nations Genf
Gewaltsames Verschwindenlassen – worum geht es überhaupt?
Nach Artikel 2 des 2010 in Kraft getretenen Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen gilt als Verschwindenlassen die Festnahme, Haft, Entführung oder jede andere Form von Freiheitsentzug durch Bedienstete des Staates, durch eine Person oder durch Personengruppen, die mit der Erlaubnis, Unterstützung oder Duldung (billigende Inkaufnahme) des Staates handeln, gefolgt von der Weigerung, die Freiheitsberaubung zu bestätigen, oder von einer Verschleierung des Schicksals oder des Aufenthaltsortes der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird.
In der Realität bedeutet dies, dass Familien oft Monate oder Jahre nicht wissen, was mit ihren verschwundenen Angehörigen geschehen ist, ob sie überhaupt noch leben, und wer dafür verantwortlich ist. Oft hat das erhebliche finanzielle Folgen für die Familien, und nicht selten geraten suchende Angehörige selbst unter Druck, werden bedroht oder schlimmeres.
Dieses Menschenrechtsverbrechen wird zunehmend und überall auf der Welt verübt. Besonders viele Fälle gibt es aktuell in Mexiko, im Irak, in Syrien, oder in Sri Lanka. Während es in der Vergangenheit meist eine Praxis in Militärdiktaturen war, dient Verschwindenlassen heutzutage oft der politischen Unterdrückung oder soll Menschenrechtsverbrecher vor strafrechtlicher Verfolgung bewahren.
Folgen hat dies nicht nur für die Opfer und ihre Familien, sondern die gesamte Gesellschaft eines Landes, in der sich Unsicherheit ausbreitet und Vertrauen in staatliche Institutionen verloren geht.
16. Dezember 2022
Die alljährliche Versammlung der Vertragsstaaten (ASP) des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) nahm ich zum Anlass für eine kurze Reise nach Den Haag. Das gewaltsame Verschwindenlassen, wenn es im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen wird, ist als Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch im Römischen Statut ein Tatbestand, den es völkerstrafrechtlich zu ahnden gilt. In dessen Definition gibt ...Weiterlesen 7. Dezember 2022
Die Bekämpfung des gewaltsamen Verschwindenlassens im Irak ist eine riesige Herausforderung. Dies war mir als Berichterstatterin für den Irak im CED schon lange bewusst. Nun aber konnte ich mich gemeinsam mit unserer Ausschussvorsitzenden Carmen Rosa Villa Quintana und meinem Co-Berichterstatter Mohammed Ayat zwei Wochen vor Ort einen detaillierten und zugleich umfangreichen Eindruck verschaffen.
Die irakische Regierung hatte dem Besuch im November ...Weiterlesen 26. September 2022
Sie trägt einen schwarzen Sari und hat sich die Haare rasiert – so lange, bis sie ihren Mann findet. “Es ist jeden Tag ein neuer Kampf”, so schilderte Sandya Egneligoda aus Sri Lanka ihre Suche nach ihrem 2010 gewaltsam verschwundenen Mann Prageeth, der sich als kritischer Cartoonist bei der Regierung unbeliebt gemacht hatte. Prageeth Ekneligoda gehört zu den Zehntausenden gewaltsam ...Weiterlesen 30. August 2022
„Was soll ich meinem Sohn sagen, wenn er nach seinem Vater fragt?“ Jeyatheepa Ponniyamorthi aus Sri Lanka ist eine der Angehörigen, die in diesem beeindruckenden Video zum Ausdruck bringen, wie das gewaltsame Verschwinden von Menschen das Leben ihrer Familien und Freunde von einem Moment auf den anderen völlig verändert. Es ist entscheidend ihnen, den Opfern, immer wieder zuzuhören – nicht ...Weiterlesen 24. Mai 2022
Acht Jahre Verhandlungen hatte es gedauert, bis der Besuch des UN-Ausschusses gegen das Verschwindenlassen (CED) in Mexiko schließlich im November 2021 stattfinden konnte. Über die Eindrücke der Ausschussdelegation und die offiziellen Erkenntnisse und Empfehlungenhabe ich einen Beitrag für die Webseite der Koalition gegen Verschwindenlassen geschrieben.
Ein kurzes, vor Ort entstandenes Video macht die Begegnungen und Erfahrungen der Delegation während der Reise ...Weiterlesen 21. April 2022
Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen hat beschlossen, einen Kommentar (General Comment) zum gewaltsamen Verschwindenlassen im Kontext von Migration und Flucht zu erarbeiten. Der offizielle Konsultationsprozess wurde diese Woche gestartet. Dies bedeutet, dass NOGs, Opfer oder deren Vertreter*innen, Nationale Menschenrechtsinstitutionen, Wissenschaftler*innen, die Vertragsparteien, andere UN Ausschüsse oder Gremien oder regionale Menschenrechtsinstitutionen bis zum 20. Juni schriftliche Stellungnahmen einreichen können. Grundlage dafür ...Weiterlesen 24. Januar 2022
Lässt sich die gesammelte Expertise der zehnjährigen Arbeit eines UN-Ausschusses auf 70 Seiten für Jurist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und Regierungsvertreter*innen gleichermaßen verständlich und fachkundig zugleich darstellen? Ja – das zeigt die Publikation „The Work of the Committee on Enforced Disappearance“. Maria Clara Galvis Patiño, früheres Mitglied des Ausschusses, hat übersichtlich zusammengestellt, welche Entscheidungen, Interpretationen und Empfehlungen der Ausschuss in den ersten zehn ...Weiterlesen 16. November 2021
Wer sucht nach ihnen, wenn Migrant*innen und Geflüchtete gewaltsam verschwinden, und was macht die Suche über Grenzen hinweg so schwer? Welche Verpflichtungen ergeben sich aus der Internationalen Konvention gegen das Verschwindenlassen für Staaten im Hinblick auf die Suche und die Prävention? Dazu habe ich einen Artikel für das Magazin „Hinterland“ geschrieben.
Weiterlesen 27. September 2021
Die Mitglieder des Ausschusses gegen das Verschwindenlassen konnten erstmals wieder in Präsenz zusammenkommen, wenn auch mit viel Distanz im riesigen Raum. Ich habe mich gefreut, die neugewählten Kolleg*innen aus Ecuador und Albanien kennenzulernen und mit allen persönlich zwei Wochen intensiv arbeiten zu können. In unserer Herbstsitzung vom 13. bis 24. September haben wir u.a. mit Regierungsvertreter*innen von Brasilien, Panama, Frankreich ...Weiterlesen 6. September 2021
Virtuell in Nürnberg diskutierten am 7./8. Mai 2021 die Teilnehmer*innen einer internationalen Konferenz über das gewaltsame Verschwindenlassen. Dabei standen drei Schlüsselthemen in der aktuellen Debatte im Fokus: neue Formen der Begehung des Verschwindenlassens, staatliche Pflichten bei der Untersuchung und Verhinderung des Verschwindenlassens und die Strafverfolgung des Verbrechens auf internationaler und nationaler Ebene.
Ich habe ein Panel zum Verschwindenlassen im Kontext von ...Weiterlesen 1. September 2021
Erst 64 Staaten haben die Internationale Konvention zum Schutz aller Personen vor dem gewaltsamen Verschwindenlassen ratifiziert. Warum es umbedingt mehr werden müssen, habe ich in diesem Kommentar zum Internationalen Tag der Verschwundenen ausgeführt. Es gibt es keinen ernsthaften Grund für Staaten, die Konvention nicht zu ratifizieren – es sei denn, sie wollen Verschwundene nicht suchen, Angehörige nicht unterstützen und die ...Weiterlesen 20. August 2021
Der Oberste Gerichtshof von Mexiko hat im Juni 2021 entschieden, dass die Dringlichkeitskeitsaktionen des UN Ausschusses gegen das Verschwindenlassen (CED) verbindlich gelten. Dieses Urteil bedeutet, dass alle betreffenden staatlichen Institutionen den Aufforderungen des CED nachkommen und sorgfältig nach verschwundenen Personen suchen und Verantwortliche ermitteln müssen. Dies ist vor allem für die vielen Tausend Angehörigen verschwundener Menschen eine wichtige Bestätigung der ...Weiterlesen 16. Juni 2021
Der Ausschuss gegen das Verschwindenlassen wird seine nächste Sitzung im September in neuer Zusammensetzung durchführen. Da für fünf Mitglieder ihr Mandat endet, mussten Nachfolger*innen gewählt werden. Mohammed Ayat aus Marokko, Milica Kolakovic-Bojovic aus Serbien und Horacio Ravenna aus Argentinien wurden für eine zweite Amtszeit gewählt. Aus Ecuador wird Juan Alban-Alencastro künftig mitarbeiten und aus Albanien kommt Janina Suela zurück. Sie ...Weiterlesen 3. Juni 2021
Wie sind Menschen in Kolumbien, in der Mongolei und in der Schweiz vor dem gewaltsamen Verschwindenlassen geschützt? Wie werden Fälle aufgeklärt und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen? Dis hat der Ausschuss gegen das Verschwindenlassen in seiner 20. Sitzung vom 12. April bis 7. Mai 2021 überprüft, sich mit NGOs ausgetauscht und eine ganze Reihe weiterer Themen beraten und entschieden. Mein Rückblick ...Weiterlesen 8. Mai 2021
Reyna Patricia Ambros Zapatero wurde 2018 Zeugin, wie ein junger Mann in Mexiko verschleppt und verschwunden wurde. Als sie begann, Fragen zu stellen und nach ihm zu suchen, wurde sie selbst Opfer des gewaltsamen Verschwindenlassens. Bewaffnete Männern in Marineuniformen verschleppten sie an einen geheimen Ort und folterten sie. Nach drei Tagen wurde sie an einer Straße ausgesetzt, aber ihr und ...Weiterlesen