Maysoon Karbijha war 20 Jahre alt, als am 24. August 2014 das Boot im Mittelmer kenterte, mit dem sie Europa erreichen wollte. 712 Geflüchtete waren auf diesem völlig überfüllten Boot, 488 wurden gerettet, 24 an der italienischen Küste angespült, und 200 Menschen werden bis heute vermisst – so wie Maysoon. Ihre Schwester Batoul Karbijha machte sich auf die mühsame Suche nach Maysoon und dokumentierte dies in einem beeindruckenden Film.
Was Batoul Karbijha uns auf einer Konferenz in Straßburg über all die Hindernisse auf dieser jahrelangen und bis heute erfolglosen Suche berichtete, können viele Tausende so oder ähnlich erzählen, deren Angehörige auf dem Land- oder Seeweg nach Europa verschwunden sind. Fehlende einheitliche Datenbänke, verweigerte Visa, mangelnde Kooperation von Behörden über Grenzen hinweg, immer gefährlichere Migrationsrouten. Das Schicksal von vermissten Migranten zu klären, steht weit unten auf der Skala des politischen Willens in Europa.
Was dennoch möglich und welche Maßnahmen zusätzlich nötig sind, um den Angehörigen Gewissheit oder gar den Verstorbenen ein würdevolles Begräbnis zu verschaffen, diskutierten Parlamentarier*innen, Gerichtsmediziner*innen, Staatsanwälte, Strafverfolgungsbeamte, Vertreter*innen internationaler Organisationen, zivilgesellschaftliche Akteure und Familien von verschwundenen Migrantinnen zwei Tage während der Konferenz „Envisioning effective public policy to prevent and address cases of missing migrants“.
Diese Konferenz folgte auf die Resolution 2569 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) „Vermisste Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber – Aufruf zur Klärung ihres Schicksals“ vom Oktober 2024. Diese Resolution fordert konkrete politische Maßnahmen, um dieses Verschwinden zu verhindern, wirksam auf Fälle zu reagieren und das Schicksal von vermissten Migranten zu klären. In der Resolution wird auch Bezug genommen auf die Allgemeine Bemerkung (General Comment) zum Verschwindenlassen im Migrationskontext, den unser UN-Ausschuss im September 2023 veröffentlicht hat.